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Fasten-Gedanken (2): Die Sache mit dem Fisch

„Er ist weder Fisch noch Fleisch“ – so sagt man von einem Menschen, bei dem man nicht so genau weiß, woran man ist. Fügt man im zweiten Wort nur ein einziges S hinzu, ist klar: Es handelt sich um einen orthodoxen Christen, der gerade fastet. Der isst weder Fisch noch Fleisch. Bei uns in den Westkirchen ist in der Fastenzeit das erstere erlaubt, das letztere aber verboten. Warum eigentlich?

Nicht einmal das sonst „allwissende“ Wikipedia findet da auf die Schnelle eine Antwort. Man muss sich quasi durchhangeln. Aber auch so was kann ja interessant sein. Da erfährt man zum Beispiel, dass bei den Urchristen das Fasten zwar eine große Rolle spielte, aber keine Pflicht  war. Das wurde es offenkundig erst im 3. Jahrhundert. Und auch nur als „Kurzversion“: am Karfreitag und Karsamstag. Aber dann total. Später galt die Faustregel 4+2: An den beiden Tagen vor Ostern soll gar nicht gegessen werden, in der ersten vier Tagen gab es Wasser, Brot und Salz (was ja später in den Gefängnissen zur Dauereinrichtung wurde).

Das 40tägige Fasten kam erst rund hundert Jahre später auf – die ältesten Dokumente darüber stammen aus dem Konzil von Nicäa . Da ein völliger Verzicht auf Essen über sechs Wochen hinweg wohl nicht möglich ist, legte die Kirche fest, was erlaubt ist, und was nicht. Und: Nur einmal am Tag durfte man eine sättigende Mahlzeit zu sich nehmen.

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Im Mittelalter wurde in den Klöstern besonders streng gefastet – hier ein Detail aus Kloster Bebenhausen bei Tübingen.

Wie aber kommt es dazu, daß Fisch während der Fastenzeit erlaubt ist? Schließlich muß für diese Fastenspeise ja auch ein Tier sein Leben lassen. Eine Antwort findet sich zum Beispiel in „Wetzer und Welte’s Kirchenlexikon“, einer „Enzyklopädie der katholischen Theologie und ihrer Hilfswissenschaften“, die an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert in Freiburg erschien.

Ein wichtiger Grund scheint zu sein, daß ein Fisch nicht blutet. So weit, so gut (oder schlecht). Etwas befremdlich mutet es indessen an, dass die reine Fasten-Lehre auch den Verzehr von „Thieren mit rotem kalten Blute“ erlaubt (warum auch immer). Unter anderem der Heilige Alfonso Maria di Liguori (ein Süditaliener) hatte sich da im 18. Jahrhundert vertiefte Gedanken gemacht: Er hatte nichts dagegen, während der Fastenzeit Schnecken, Schildkröten, Frösche, See- und Flusskrebse, Muscheln und „andere Schal- und Weichthiere“ zu verspeisen. In manchen Gegenden waren (wohl auf Grund des Gewohnheitsrechts) sogar Fischotter und Biber erlaubt – wobei heutzutage wohl zumindest in Mitteleuropa niemand auf die Idee käme, sich daran gütlich zu tun.

Die Erlaubnis, Fisch zu essen, wurde zumindest früher auch damit begründet, daß „dieselben weniger Nahrungsstoff enthalten als Fleisch von Landthieren und keinesfalls den Organismus so sehr wie diese erhitzen und erregen“.

Und es gab auch einen ganz pragmatischen Grund, dem Fisch eine „Sonderstellung“ unter den Tieren einzuräumen: In vielen Gegenden gebe es um diese Jahreszeit einfach nicht ausreichend vegetarische Nahrung.